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Das älteste Eisenbahndampffährschiff der Welt

 

Das Eisenbahndampffährschiff stammt aus Elbing. Es ist das älteste noch erhaltene Schiff dieser Art auf der Welt. Dieses einzigartige Denkmal deutscher Schiffbaukunst aus dem 19. Jahrhun­dert gibt einen Einblick in die Zeit der Dampfschifffahrt und zeigt, unter welchen schwierigen Bedingungen die Besatzungsmitglieder früher ihre Arbeit verrichtet haben.

 

Während der 100jährigen Einsatzzeit, von 1890 bis 1990, wurde die Fähre zu den verschiedensten Transportauf­gaben eingesetzt und zeichnete sich damals dank ihrer guten Technik vor allem durch hohe Zuverlässigkeit aus. Im Jahre 1992 übernahm die Stadt Wolgast dieses Schiff als Eigentümerin mit dem Ziel, die alte Dampffähre zu einem Museum umzufunktionieren, um technisch interessierten Menschen und vor allem künftigen Generationen, dieses Technik- und Kulturdenkmal von hoher Bedeutung zu erhalten.

 

Am 20. Oktober 1890 wurde durch das Königlich-Preußische Eisenbahn­maschinenamt in Stralsund das auf der Schichauwerft in Elbing gebaute Fähr­schiff STRALSUND in Dienst gestellt.

 

In den 40er Jahren des 19. Jahrhun­derts wurde ganz Deutschland vom Eisenbahnfieber erfasst. Auch Stral­sund bemühte sich um Anschluss an das neue Verkehrsmittel. Der preußi­sche Landtag befürwortete angesichts dieser Notwendigkeit 1850 den Bau der Eisenbahnlinie Berlin - Stralsund. Am 26. Oktober 1863 traf der erste Zug in Stralsund ein und ab 1865 gab es einen Anschluss zum Hafen. Für die Überquerung des Strehlasundes waren verschiedene Varianten im Gespräch. Eine Brücke zum Dänholm und von dort aus weiter nach Rügen wurde aus Kostengründen verworfen. Man entschied sich für die Trajekt­anbindung von Stralsund Hafen nach Gralhof bei Altefähr. Die Bauarbeiten begannen 1882. Nach Fertigstellung der Abfahrtsstellen wurde das Hafen­gelände vorbereitet und die Fahrrinne vertieft.

 

Am 13. November 1882 traf aus Elbing das erste Trajektschiff, die PRINZ HEINRICH, in Stralsund ein. Nach verschiedenen Tests und Probe­fahrten, u. a. auch Fahrversuchen im Eis, erklärte die Königliche Eisenbahn­direktion Berlin am 27. Dezember 1882 das Trajekt für abgenommen.

 

Am 1. Juli 1883 fuhr der erste Zug aus Bergen feierlich geschmückt in Altefähr ein und wurde durch die PRINZ HEINRICH nach Stralsund überge­setzt. Für die Distanz von 1,5 Seemei­len (2778 m) benötigte man ca. 35 Mi­nuten. Neben landwirtschaftlichen Produkten erfolgte auch der Transport von Kalk, Holz, Kreide und der See­post. Außerdem reisten in einem Jahr über 90.000 Personen mit der Fähre.

 

Am 1. Dezember 1883 nahm ein zwei­tes Fährschiff, die RÜGEN, das eben­falls auf der Schichau-Werft in Elbing gebaut worden war, den Dienst auf.

 

Nachdem die Preußische Staats bahn, das damalige Crampas bei Saß­nitz als Endpunkt der Staatsbahn fest­gelegt hatte, fiel die Entscheidung hier einen Fischereihafen auszubauen. Füi das dadurch zu erwartende starkE Verkehrsaufkommen wurde 1889 be der Schichauwerft ein drittes Fährschifi in Auftrag gegeben.

 

Die Technischen Daten zum Fährschiff:

 

Schiffstyp: Eisenbahnfähre (Binnen­schiff)

Bauart: Einendfähre, Buganleger, als Eisbrecher geeignet

Bauwerft: Schichauwerft, Elbing

Baunummer: 440

Länge über alles: 36,46 m

Breite über alles: 9,80 m

Tiefgang: 1,23 m unbeladen; 1,88 m beladen

Verdrängung: 192,5 t unbeladen, 337,4 t beladen

Geschwindigkeit: 8 Knoten

Antrieb: 2 zweistufige Expansions-kolben-Dampfmaschinen maximal 2 mal 112,5 PS/83 kW

Transportkapazität: 3 Personenzugwagen oder 3 - 4 Güterwagen auf 32 m Gleis

Passagiere: 300 Personen (historische Angaben)

 

Der Neubau erhielt den Namen STRALSUND. Er nahm am 26. Oktober 1890 den Fährverkehr zwischen Stralsund und Altefähr auf der Insel Rügen auf. Um vier Güterwaggons zweiachsiger Bauart oder drei längere Personenzugwagen aufzunehmen, wurden die zu trajektierenden Waggons über den Bug an Bord rangiert. Am Ende der Übersetzungsstrecke erfolgte dann die Entladung wieder über den Bug, so dass die Fähre bei jeder Trajektierung einmal wenden musste. Das brachte diesem Fährschifftyp den Namen „Einendfähre" ein. Die entsprechende Manövrierfähigkeit für ein derartiges Drehen erzielte der Doppelschraubenantrieb des Schiffes. Während der Fahrt schloss eine rot-weiße Bahnschranke die Einfahrtöffnung ab. Achtern wurden die Waggons an einen Prellbock verspannt. Auf halber Länge erheben sich zu beiden Seiten kleine Deckhäuser, die mittschiffs von der hochgelegten Kommandobrücke überragt werden. Sie befindet sich zwischen den beiden Schornsteinen.

 

Bei Übersetzungsfahrten hatten die Fahrgäste die Waggons zu verlassen. Sie konnten unter Deck in den beiden Kajüten Platz nehmen, die gemäß den gelösten Fahrkarten voneinander getrennt waren. Im Vorschiff befand sich die einst mit rotem Plüschmobiliar ausgestattete „Cajüte I. und II. Classe", im Achterschiff die im Stil der hölzernen Eisenbahnabteile eingerichteten „Cajüte III. und IV. Classe". Das Schiff hat auf seinem durchlaufenden offenen Wagendeck ein 32 m langes Gleis mit einer noch im Original erhaltenen Kruppstahl-Schiene. Im Jahr 1896 wurde der Verwaltungsbereich der Preußischen Staatseisenbahnen neu geordnet, die Rügenbahnen und damit auch die Trajektschiffe gingen in die Verwaltung der neugeordneten Königlichen Eisenbahndirektion Stettin und des ihr unterstehenden Eisenbahnbetriebsamtes über.

 

Die weitere Zunahme der Transporte und die bevorstehende Eröffnung der Postdampferlinie nach Trelleborg zwangen zum Umbau der Anlagen und zur Indienststellung neuer größerer Schiffe, um die Trajektzeiten zu verkürzen. So traf am 27. April 1897 als erste neue Doppelendfähre die SASSNITZ in Stralsund ein. Sie war mit 65 m fast doppelt so lang wie ihre Vorgängerschiffe. Zwei Jahre später wurde das Fährschiff PUTTBUS in Betrieb genommen, beide besaßen 2 x zwei Schrauben und zwei Ruder. So konnten sie ohne zu wenden, in voller Geschwindigkeit in beide Richtungen fahren.


Bug und Heck (unten) der Eisenbahndampffähre in Wolgast Das Schiff wurde in Elbing noch zu Lebzeiten Ferdinand Schichaus gebaut.


Um 1901 wurde die Fähre STRALSUND wegen ihrer geringen Größe von der Trajektstrecke in Stralsund abgezogen und hielt von nun an den Verkehr von Swinemünde zur Insel Wollin aufrecht. Neben den Trajektaufgaben übernahm die STRALSUND die Freihaltung des Saßnitzer Fährbeckens, der Swine, besonders aber die „Kaiserfahrt", die Verbindung von der Oder zur Swine, vom Eis.


Historisch verbürgt ist die Rettung der Passagiere des schwedischen Fährschiffes DROTTING VICTORIA. Das Schiff war am 20. Februar 1915 vor Stubbenkammer auf Grund gelaufen. Die STRALSUND übernahm die Fahrgäste und brachte sie von der Strandungsstelle nach Saßnitz. Ab 1920 wurde die STRALSUND Eigentum der Deutschen Reichsbahn, ab 1. Oktober 1924 kam sie in den Besitz der Reichsbahndirektion Stettin, in deren Dienst sie bis 1945 stand. 1926 lag das Fährschiff STRALSUND zu einer Reparatur auf der Schiffswerft AG Vulcan in Stettin-Bredow. Dort wurde sie um einen Meter verlängert und erreichte damit die Länge von 37,46 m. Hauptgrund der Verlängerung war die Absicht, auf der Strecke Stettin-Ostwine-Swinemünde größere Packwagen zu führen. Seit dem Spätherbst 1936 transportierte die Fähre Baumaterialien nach Peenemünde zur Heeresversuchsanstalt und setzte von Saßnitz aus Güterwagen mit Technik und Anlagen in geheimer Mission zur Insel Usedom über.

 

Ab dem Frühjahr 1937 diente das Fährschiff als Materialtransporter für den Ausbau der Raketenversuchsanlagen auf der Greifswalder Oie. Im Dezember 1937 brachte die STRALSUND dann auch die ersten Raketen vom Typ A 3 von Peenemünde auf die Insel Oie. Wie durch ein Wunder überstand die STRALSUND den schweren Bombenangriff auf Peenemünde in der Nacht vom 17. zum 18. August 1943 unbeschadet -später befahl die abrückende Führung alle noch intakten Anlagen sowie die Fähre mit Sprengladungen zu versehen. Kapitän Kleiner und der Obermaschinist Schmidt verhinderten die Sprengung, sie führten die Fähre von Peenemünde zur Insel Rügen und ankerten dort im Zicker See. Damit endete der Zweite Weltkrieg für das Fährschiff STRALSUND. Am 5. Mai 1945 befahl die Rote Armee das Schiff für neue Trajekteinsätze vorzubereiten und die Fähre wieder nach Peenemünde zu führen. Von 1945 bis 1949 diente das Fährschiff STRALSUND der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) zum Abtransport von Teilen der Heeresversuchsanstalt, besonders aber Raketenteilen, in Richtung Stettin/Swinemünde. Aber auch auf der Ostsee, um die Greifswalder Oie herum, war sie tätig. Unter sowjetischer Aufsicht erfolgte hier die Suche nach versunkenen Testraketen. Ab Sommer 1946 erfolgte dann für die STRALSUND auch wieder der Einsatz für den Fährverkehr von Personen, Eisenbahnfahrzeugen und Gütern zur Insel Usedom bei Wolgast.

 

Für den 13. bis 15. September 1949 ist die letzte Fahrt der Fähre nach Stettin und für den 17./18. September 1949 die letzte Fahrt nach Swinemünde registriert. Danach übergaben die sowjetischen Behörden die Fähre der Deutschen Reichsbahn. Am 11. April 1949 begann für die FLUNDER, so nannte die Besatzung das Fährschiff, ein neuer Abschnitt, der über 40 Jahre andauern sollte. Die Reichsbahndirektion Greifswald übernahm das Schiff als Eignerin. 1953 und 1955 wurde das Ruderhaus erneuert, auch Spanten, Schotten und Schienenfundamente wurden gewechselt. Als Besatzung waren vorgesehen: Schiffsführer, stellv. Schiffsführer, Rangiermatrose, Matrose, leitender Maschinist, Maschinenwärter, Heizer und für die Ruhezeit ein Nachtheizer. An einem Tag wurden bis zu 40 Fahrten durchgeführt. Im Winter 1979/80 erfolgte der letzte große Umbau, das Holzruderhaus wurde durch ein modernes Ruderhaus aus Aluminium ausgetauscht, die Ruderanlage mit dem großen Steuerrad auf der Brücke musste einer modernen elektrohydraulischen Ruderanlage weichen. Der Zustand der alten Originaldampfmaschine verschlechterte sich, sie wurde ausgebaut und zu einer Spezialwerft nach Dresden/Laubegast gebracht.

 

Zu diesem Zeitpunkt erklärte man das Fährschiff zum Denkmal und veranlasste die Erneuerung beider Kessel. Antriebsmaschinen mit Dieselmotor lehnte der Denkmalschutz ab. Seit dem 1. August 1986 bugsierte der Schlepper RASSOW die nun antrieblos gewordene Fähre bei der Erfüllung ihrer täglichen Aufgaben. Das Jahr 1990 hatte mit seinen politischen Veränderungen auch Einfluss auf den weiteren Einsatz des Fährschiffes. Die Schließung der Militärobjekte Karlshagen und Peenemünde und die Verlagerung der Transporte von der Schiene auf die Straße besiegelten das Schicksal des Schichau-Schiffes aus Elbing. Am 26. Oktober 1990 konnte das Fährschiff seinen 100. Geburtstag im Dienst feiern. Die letzte Trajektierung erfolgte am 13. Dezember 1990, knapp zwei Monate nach dem Jubiläum. Am 31. Dezember 1991 war die offizielle Außerdienststellung des Eisenbahndampffährschiffes. Damit endeten 100 Jahre aktive und zuverlässige Arbeit eines Schiffes, dass durch seine ab-wechslungsreiche Vergangenheit einen ehrwürdigen Platz in der Geschichte der Fährschifffahrt gefunden hat. STRALSUND a. D. — ein Schiff wird Museum.

 

1992 wurde das Fährschiff Eigentum der Stadt Wolgast, die Denkmalschutz­behörde begann in Schwerin mit Um­bauarbeiten. Vom 17. März bis zum 21. April 1993 lag das Fährschiff zum letzten Mal auf der Peene-Werft. Es bekam seine Wel­lenanlage, die Schrauben und das Ru­derblatt repariert zurück. Dreimal noch hatte die Fähre die Ehre ihrer eigentli­chen Bestimmung, dem Trajektieren, nachzugehen. Die Umrüstung des Zug­bestandes auf der Insel Usedom mach­te eine mehrmalige Reaktivierung notwendig. 1993 wurden 21 Reise­zugwagen von der Insel geholt und dafür acht moderne Triebwagen übergesetzt. Bei einem zweiten Einsatz im selben Jahr setzte sie sechs weitere Triebwagen sowie zehn Reisezugwagen und sechs Lokomotiven über.

 

1994 und 1995 folgten ähnliche Einsätze, wobei stets ein Schlepper als Antrieb diente. Die zuvor auf einer Wolgaster Werft restaurierte Steuerbord-Dampfmaschine konnte endlich wieder in die Fähre eingebaut werden. Die Funktionstüchtigkeit wurde nicht mit Dampf, sondern mit Druckluft überprüft. Die Antriebsmaschine ist nicht verkleidet und kann somit bewundert werden. Im Juni 1997 wurde die Fähre in den neugeschaffenen Museumshafen, anlässlich seiner Eröffnung, geschleppt. Seither liegt dort das 1890 auf der Ferdinand-Schichau-Werft in Elbing gebaute Fährschiff STRALSUND als technisches Denkmal.

 

Quelle: Elbinger Nachrichten, Heimatzeitung für Stadt- und Landkreis Elbing, ISSN/0933-7334, Nummer 928/57, Münster, Juli 2007, H2575

 

 

Weitere Informationen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Fährschiff_Stralsund

http://www.museum.wolgast.de/einrichtungen/faehre.html

http://www.insel-usedom-wollin.de/wolgast/museumshafen.html

 

 

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